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indischer nachgeschmack

  
Indien
19. Juni 2003

indischer nachgeschmack

8675 km, pokhara (NEPAL)

'i had heard the old cliche about how when you arrive in india, it is like stepping into an oven, but this had not prepared me for the fact that when you arrive in india, it is like stepping into an oven.'
(william sutcliffe, 'are you experienced?')

um sechs uhr frueh haben wir in bombay unser quartier bezogen. flughafen, geld tauschen, transport, gepaeck verstauen. alles erledigt. schweiss rinnt das gesicht, den ruecken, die beine herunter. kleidung klatschnass. wir schuetten das erste coca cola in uns hinein. doch das allerweltsgetraenk schmeckt hier anders. sehr ungewohnt. intensiv. nicht besonders gut. und der schale nachgeschmack bleibt lange im mund.

PROLOG

indien ist anders. ganz anders. in den erinnerungen und berichten anderer reiseradler nimmt dieses land einen besonderen platz ein. es laesst keinen kalt oder gleichgueltig. es geht durch mark und bein. auch fuer mich ist es sehr schwer, dem subkontinent indien gerecht zu werden. drei monate. waehrend der heissesten trockenzeit. 2600 km. mit dem fahrrad. mitten durch. ueber stock und stein. wer ist so bloed und tut sich das an?

dabei sind die haerten und schwierigkeiten nicht so leicht und anschaulich zu beschreiben wie zum beispiel fuer tibet. dort war es hart und spektakulaer. die hoechsten strassen der welt. 5500 meter hohe gebirgspaesse. abgeschiedenheit, einsamkeit, minimale versorgung. in indien gibt es an jeder ecke 'thums up' und 'mirinda'. die strassen fuehrten bine und mich meist durch ebene, trockene landschaft. und wir fanden wirklich keinen flecken in diesem land, wo man fuer zumindest 30 minuten alleine sein konnte. oder: in der SO-tuerkei und syrien wurden wir mit steinen beworfen. joerg ([=>http:\/\/mitglied.lycos.de\/bumbumbike]) war in aethiopien richtigem rassismus ausgesetzt. mit zerschmettertem arm und anderen wunden rettete er sich nach kenia. in indien ist von solchen feindseligkeiten oder gar taetlichkeiten keine rede. die einheimischen erscheinen einem als zurueckhaltende und freundliche menschen.

hitze und die meist uninteressante, bevoelkerte kulturlandschaft waren das schlechte fundament der radreise durch den subkontinent. der 'human factor', unerwartet schlechte strassen, die allgegenwaertigen stromausfaelle und das scharfe essen wirkten des weiteren auf die geschundene radlerseele ein. all das permanent und stetig. mit einer wucht, die schliesslich etwas sehr unerfreuliches bewirkte. naemlich froh zu sein, das land verlassen zu haben. und sich nicht zu wuenschen, nochmals zurueckzukehren.

INDISCHER SOMMER

'from april onwards much of india becomes almost unbearable hot. temperatueres of over 50 C are not unknown. it is a time of year to get up to the hills.' (1)

1600 hitzetote in indien. seit 8 jahren war es nicht mehr so heiss. auf unserer route 48 grad hitzerekord. wohl mindestens 60 grad ode mehr in der sonne. versiegte quellen, ausgetrocknete gewaesser. 'thirsty india', titelte 'india today' vor einigen wochen. die trinkwasserversorgung war in einigen teilen des landes nur mit tankwaegen und -zuegen zu bewerkstelligen.

was bedeutete es, in so einem klima per rad zu reisen? bine und ich standen zwischen 4 und 5 uhr frueh auf, um rund eine stunde spaeter am rad zu sitzen. zwischen 11 und 12 uhr mittags sollten wir dann so 70 bis 90 kilometer geschafft haben. doch schon um 9 uhr war es unertraeglich heiss. das wasser in den flaschen ob der hohen temperatur manchmal nicht trinkbar. ebenso das kaltwasser in den hotels: zu heiss fuer den koerper. selbst bei pausen im schatten hatten wir das gefuehl in einem backrohr zu sitzen. der wind wirkte wie ein heisses geblaese. das metall am fahrrad, der sattel, die griffe brennend heiss. 8 liter wasser trank ich waehrend den paar stunden radeln. meist gemischt mit 'electral' - einem rehydrationspulver. nicht nur einmal litt ich unter dehydrationssymptomen. fieber, keinen durst und appetitt, erbrechen und kraftlosigkeit. nachts in den hotels war es stickig und kochend. der obligatorische deckenventilator erschlug uns mit heisser luft. wir nahmen wann immer es ging, air conditioned zimmer. alles in allem: es war immer eine qual. radeln konnte einfach keinen spass machen.

LOGBUCH: 'ein uhr mittags. die sonne steht fast senkrecht. die schlechte strasse hat uns nicht schneller vorankommen lassen. bine und ich unter einem baum an der strasse. sie schlaeft. vorige nacht hatten wir ob der hitze nur drei stunden schlaf. ich lehne sitzend am baumstamm. vollkommen erschlagen. trinke einen schluck wasser. spucke gleich wieder aus. widerwaertig heiss. der wind blaest mir ins gesicht. wie ein heisser foehn, der einem den atem nimmt. rundherum scheint alles tot. selbst den sonst so laestigen fliegen ist es zu heiss. in den mittagsstunden ist die strasse fast leer. aus dem backofen gibt es kein entkommen. noch 15 kilometer bis kandhwa. fuer uns heute eine ewigkeit. wir werden wohl wieder fuenf kilometer-etappen fahren.

ausgetrockneter koerper - aber kein durst. leerer magen - aber keinen hunger. nicht unweit sitzen grosse geier in den baeumen. ein toter wasserbueffel hat sie hierher gebracht. bloede voegel. ihr kriegt uns nicht.'

1.015.923.000 MENSCHEN

'you may at times be justifiably frustrated...but display of anger and rudeness will not achieve anything positive, and may in fact make things worse. we suggest you remain patient and polite.' (1)

ein schweizer reiseradler - mit dem rad unterwegs von europa nach asien - berichtete in einem seiner reise-anekdoten ueber den subkontinent. er hatte sich vor der reise gewundert, so schreibt er, wo denn die gigantische anzahl von indern denn ueberall leben solle. jetzt, wo er durch dieses land geradelt ist, weiss er die antwort: in indien! ueber eine milliarde menschen leben hier. davon 70 prozent auf dem land, nur 30 prozent in staedten.

wie erlebte das pedalglobal-team die menschen in indien? zum einen: sie waren ueberall. tagsueber aufs klo zu gehen war besonders fuer bine immer ein problem. bei pausen auf leerer landstrasse gesellten sich immer leute zu uns. in doerfern bis zu 150 auf einmal. sonnenlicht war dann keines mehr zu sehen. alleine waren wir nur im verschlossenen hotelzimmer. zum anderen: inder sind freundliche, zurueckhaltende menschen. auf den ersten eindruck hin. lernt man sie besser kennen, ist das bild differenzierter.

A. ja-sager. egal was man sie fragte, egal was man zu ihnen sagte, egal was sie davon verstanden. und egal wie sie daraufhin handelten. seitliches kopfnicken war garantiert. um zum beispiel kein scharfes essen serviert zu bekommen, redeten wir im langsamsten primitiv-englisch wie muetter zu ihren schwachsinnigen soehnen. dass es uns oft schon selbst peinlich war. trotz pausenloser zustimmung zu dem was wir sagten ('NO CHILLY! NO MASALA! NOT SPICY!'), kriegten wir dann trotzdem einen superscharfen eierreis serviert.

B. abzocker. bei fast jedem einkauf, bei jeder besorgung. ueberall wird versucht, mehr geld von uns zu verlangen als ueblich. es scheint so als ob alle inder nur mein geld wollten. es war deprimierend. und es machte mich wuetend.

C. die kluft zwischen 'ihnen' und mir ist unueberwindbar. in keinem anderen land fuehlte ich mich so fremd wie in indien. immer dieselben fragen, zu tausenden gehoert und beantwortet. 'where are you from?', 'how much is your bicycle?', 'is this your wife?', 'how many children?'. geht es um die reise, kopfschuetteln und unverstaendnis. wie sollte es auch anders sein? selbst in europa verstehen die wenigsten, warum ich diese reise unternehme. ich sah bittere armut, auch wenn die wenigsten hungern muessen. die meisten menschen haben beschraenkte oder keine ausbildung, daher beschraenkte moeglichkeiten irgendsowas wie ein 'erwuenschtes leben' anzustreben (solche gedanken haben sie wahrscheinlich gar nicht). daraus resultierte oft ein schlechtes gewissen meinerseits. mir geht es doch so verdammt gut. und bin ehrlich gesagt heilfroh, nicht in indien leben zu muessen.

LOGBUCH: 'es ist holi-fest in bombay. ein frohes fest. die menschen bewerfen sich gegenseitig mit farbpulver in den leuchtensten farben. wir sehen viele menschen mit knallroten haaren, oder mit jeans in leuchtendem gruen etc. als ich durch die strassen schlendere, bettelt mich ein kleines maedchen an. vielleicht 8 jahre alt. ich sag einmal 'no', und ignoriere sie dann. doch wie gewohnt laesst sie nicht locker. sie zieht an meinem T-shirt. haelt mich leicht an meiner hand zurueck. irgendwann gibt sie auf. erst spaeter erinnere ich mich wieder daran. meine rechte hand ist mit knallrosa farbe verschmiert. wie ein brandzeichen das bedeutet: reich und herzlos.'

2600 KM LANDSCHAFT


'intersected by these meandering rivers and dotted with hills and lakes, the state has a varied natural setting of great beauty.' (2)

indien hat eine gesamtflaeche von knapp 3,3 mio. km2. 170 mio hektar davon sind kultiviertes land. ueber 300 einwohner pro quadratkilometer im durchschnitt!

die landschaft ist neben den menschen eines landes der zweit-wichtigste faktor fuer radreisende. mitunter faehrt man tausende kilometer hindurch. in indien ist fast alles kulturlandschaft. meist eben. ueberall menschen. um es kurz zu halten: uninteressant und eintoenig.

LOGBUCH: 'auf dem weg zu den hoehlen von ajanta. die umgebung wie so oft. ein paar baeume am strassenrand, andere vereinzelt in der landschaft. dazwischen trockene, brachliegende felder. hin und wieder haeuser. und dann und wann ortschaften. ploetzlich bricht das plateau rund 150 meter steil ab - hinunter in eine andere ebene. ich verknipse gleich 10 bilder.'


SCHEDULED AND UNSCHEDULED POWER-CUTS

'in some states power cuts are common. the largest hotels have their own generators, but it is best to carry a good torch.' (1)

stromausfaelle gehoeren zum alltag in indien. sind bestandteil des berufs- und alltagsleben. in jeder stadt sind die fixen zeiten, in denen der strom abgeschaltet wird, ausgehaengt. stundenlange ungeplante stromausfaelle kommen noch hinzu. und es ist nicht so, dass indien wenig strom benoetigt. strassenbeleuchtungen, kuehlschraenke, computer, maschinen aller art gibt es ueberall. die es sich leisten koenne, haben externe dieselbetriebene stromgeneratoren. die ganze stadt droehnt dann davon.

wie erlebte pedalglobal die power-cuts? kerzenschein oder taschenlampe im hotel war gemuetlich. kein problem. im internet cafe schriebe ich alle texte, mails etc. in einem editor. sicherte jede minute ab. so gingen (meistens) nicht viel daten verloren. kein problem.

lief jedoch der deckenventilator wegen stromausfall langsam aus, wurde die letzte ueberlebensader durchgeschnitten. die luft, 35 grad, stand. unser wasserspritzer wertlos. erlosch die AC, drohte ich nach zwei minuten zu ersticken. der schlaf dahin.

LOGBUCH: 'der deckenventilator bewegt sich nicht mehr. die rotorenblaetter stehen reglos. sofort tritt schweiss aus allen poren meines koerpers. es ist erst 6 uhr frueh. und von 8 bis 12 uhr gibts hier in jalgaon fix keinen strom. ich fixiere den ventilator. 'bitte spring wieder an!' nichts tut sich. eine stunde vergeht. nichts tut sich. bine und ich stehen auf. duschen. nichts bewegt sich. es gibt wohl bis mittags keinen strom mehr. doch ploetzlich - der ventilator rotiert wieder. sofort kuehlt der luftzug die schweissnasse haut. wir grinsen uns gegenseitig an. un sagen dann gleichzeitig: 'ich liebe dich!''

PISTENER-FAHRUNGEN

'some district roads are quiet, and although they are not fast they can be a good way of seeing the country and village life if you have the time.' (1)

'madhya pradesh - a tourists paradise', steht in der indischen touristenkarte dieses bundesstaates. das finden wir nicht. nicht nur wegen der schlechten wege. ob kleine strassen, state highway oder national highway. sie sind entweder reine schotterpisten, fast nicht erkennbare asphaltreste oder schlagloch-uebersaehte, einspurige fahrwege. gute strassen sind rar.

wie radelte pedalglobal auf den indischen strassen? wir hatten nicht damit gerechnet. vor allem nicht permanent. die reisegeschwindigkeit sank, und mit ihr auch die motivation. wir sammelten vor tibet mehr pistenerfahrung als uns lieb war.

LOGBUCH: 'wir finden einfach keine fahrbare spur. in der mitte der piste: festgefahrene steine. am rand: loser, grober schotter. mit 10 km\/h kriechen wir dahin. dann wieder eine bruecke in bau. das bedeutet ausweichroute. 500 meter durch weichen, feinen sand. kopftuch vor mund und nase geschoben. und durch. ein truck ueberholt. eine halbe minute minimale sicht. zurueck auf der 'under construction' strasse. in der mitte eine glatte, aber noch im bau befindliche fahrbahn. damit diese nicht benuetzt wird, sind tausende steine darauf gelegt worden. ploetzlich bester, glatter, neuer asphalt. aber nur 200 meter. dann ziehe ich wieder das kopftuch ins gesicht.'


'COMBINATIONS OF SPICES GIVE EACH REGION ITS DISTINCTIVE FLAVOUR' (1)


' if you are unused to spicy food, go slow! stick to western or mild chinese meals in good restaurants; and try the odd indian dish to test your reaction.' (1)

wie kam pedalglobal kulinarisch in diesem land zurecht? das indische essen ist scharf. zu scharf fuer mich, aber auch fuer bine. unser problem, keine frage. in einfachen truckstop-garkuechen assen wir chapatti mit gemuese, selbst gestelltem ketchup oder marmelade. abends bereiteten wir uns selbst mit frischem gemuese lecker salat zu. meistens versuchten wir aber in den sogenannten 'restaurants' chinesische oder indische gerichte NOT SPICY serviert zu bekommen. der erfolg war oft mit grossem persoenlichen und zeitlichen aufwand zu erzielen - oder auch nicht.

LOGBUCH: 'erster abend in indien. bine bestellt ohne viel zu ueberlegen curry reis. das essen wird serviert. bine nimmt einen bissen zu sich. schiebt kommentarlos den teller weg und bestellt pommes. NOT SPICY!'

HIGHLIGHTS

natuerlich hatten wir auch positive hoehepunkte. bombay, die kuestenroute runter nach goa, goa selbst, die hoehlen von ajanta und bimbetka, der bandhavgarh nationalpark und varanasi waren super. auch haben wir zahlreiche nette, liebe, hilfsbereite inder kennengelernt. das essen war des oefteren vorzueglich. die billigen, frisch gepressten fruchtsaefte habe ich oft genossen. die flora und fauna war reich und exotisch.

aber der alltag mit den oben beschriebenen permanenten einfluessen - die indische realitaet - war zu aufreibend. zu kraeftezehrend. geistig und koerperlich.

EPILOG

gegenwart. ein gekuehltes carlsberg vor mir. eine brennende kerze am rustikalen holztisch gibt gemuetliche atmosphaere. bluesiger gitarrenrock dringt wohlig in mein ohr. draussen ein see, ringsherum berge. pokhara - nepal. andere welt. die meiner seele guttut. und den nachgeschmack vom indischen subkontinent langsam wegschwemmt.

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(1): footprint india, 11th edition 2002, guidebook

(2): madhya pradesh, tourist road guide + political

 

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