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in Vorbereitung: 3onTour!
Bolivien - Die Salare

  
Bolivien
16. Mai 2014

Bolivien - Die Salare

11803 km, Ollagüe

Grenze Chile (Colchane) - Pisiga - Sabaya - Coipasa - Salar de Coipasa - Llica - Salar de Tunupa - Isla de Pescado - Isla de Incawasi - San Juan - Grenze Chile (Ollagüe)


Als wir uns dem bolivianischen Grenzeort Pisiga näher anschauen, bezweifeln wir vorerst ein wenig, hier alles für die nächsten Tage einkaufen zu können. Auch dieser Ort ist ein kleines Kaff im grossen Nichts. In den kleinen Staubstrassen verbirgt sich dann aber doch die eine oder andere Tienda, und so langsam finden wir Nudeln, Wasser, Thunfisch, Kekse, Ketchup, Senf, Haferflocken, Kaffeepulver und anderes für die Weiterfahrt. Ganz hinten im Ort verkaufen 2 Frauen sogar ein wenig Obst und Gemüse. Wir finden ein Hotel um knappe 6 Euro (allerdings ohne Dusche), und auf der Strasse können wir US-Dollar in die einheimischen Bolivianos umtauschen. Das Preisniveau ist wieder um einiges niedriger als in Chile.

Alles in allem sind wir zufrieden und bereit für die nächste Etappe durch West-Bolivien. Nach den anstrengenden Tagen durch Nordchile gönnen wir uns allerdings einmal 2 Ruhetage. Dann geht´s los.

Unser erster Salzsee

Die ersten 40 Kilometer verlaufen auf einer anscheinend neuen Asfaltstrasse gen Osten. Das war´s aber dann auch schon mit den befestigten Strassen in Bolivien für uns. Bei Sabaya biegen wir rechts ab, und holpern auf extrem steiniger Schotterpiste mit dem üblichen Wellblech Richtung Salar de Coipasa - ein an sich grosser Salzsee, der allerdings auf der Karte neben dem Salar de Tunupa (der eigentliche, indigene Name des berühmten, grössten Salzsee der Erde Salar de Uyuni) wie ein kleiner Tümpel aussieht. Ein paar Mini-Ortschaften in Form von kleinen Häuseransammlungen entlang des Weges. Nicht viel, aber im Vergleich zu unserer Chile-Etappe ist hier mehr los. Auch Fahrzeuge begegnen Bine und mir weit mehr als nur 2-3 am Tag, wie auf der Nationalparkroute im Nachbarland.

Die Orientierung auf den vielen Pisten ohne Beschilderung, und vor allem die Navigation auf den grossen Salzseen, ist nicht unbedingt trivial. Ein paar Informationen haben wir vorher noch im Internet von anderen Radlern bezogen. Diese fuhren allerdings jeweils in die gegengesetzte Richtung und hatten GPS-Geräte dabei. So nutzen wir unsere Karten, einen Kompass, die anderen Infos und fragen vor allem die Einheimischen, um uns in diesem Gebiet zurechtzufinden. Das klappt eigentlich sehr gut.

Bolivien Bolivien
Bine in der weissen Unendlichkeit - Salar de Coipasa (Oruro, Bolivien, April 2014)
Bine in der weissen Unendlichkeit - Salar de Coipasa (Oruro, Bolivien, April 2014)


Im Norden des Salar de Coipasa liegt eine grössere Insel, die den kleinen Ort Coipasa beherbergt. Die rund 15 Kilometer dorthin bedeuten unsere erste Erfahrung mit dem Radeln auf einem Salzsee. Wir sind begeistert! Zum einen ist die Oberfläche extrem fest und glatt, und das Radeln daher eine wahre Freude. Zum anderen gibt es keine Fahrspuren - sondern lediglich eine grosse, weisse Fläche vor uns. Wie ungewohnt! Orientierungspunkte in der Landschaft, oder zumindest die Richtungsvorgabe des Kompass´ geben den Weg vor. Ähnlich wie in den Bergen oder auf grossen Gewässern ist die Einschätzung von Entfernungen und Perspektiven extrem schwierig. Die "Uferzonen" sind besonders zu beachten, denn oft ist der Rand eines Salzsees extrem schwierig zu beradeln. Erde, Vegetation oder extrem unebene Salzflächen sind normal. Daher durchqueren wir den Coipasa in der Mitte, und steuern erst auf dem Festland Richtung Westen - und nicht direkt über den Salzsee. Insofern ist der "kleine" Salar de Coipasa (50 Kilometer Durchmesser) ein guter Einstieg, uns an das Objekt "Salar" zu gewöhnen.

Noch an diesem Nachmittag radeln wir leicht die rund 40 Kilometer "rüber" ans Südufer. Die genaue Richtungsvorgabe holen wir uns erst am Salzsee von einem Arbeiter, der Salz abbaut. Mitten am Salzsee mache ich plötzlich eine kleine Gestalt in einiger Entfernung aus. Wir radeln hin - ein Bolivianer, der einen Motorschaden am Salar erlitten hat. Auf die Frage, wo denn sein Auto stehe, deutet er in nördlicher Richtung - ein Fahrzeug kann ich mit bestem Willen keines ausmachen. Er kommt gerade zu Fuss vom Südufer - er war sicher stundenlang von hier aus unterwegs. Ich rate ihm eindringlich, am Ufer an einer Piste auf ein Fahrzeug zu warten - und nicht in der Unendlichkeit des weissen Nichts. Wir haben weder eine Autobatterie noch ein Mobiltelefon für ihn. Aber immerhin 3 Liter Wasser. Wir deuten ihm den Weg zum Ort Coipasa (30 Kilometer entfernt), den er hoffentlich morgen früh in Angriff nehmen wird. Mit unserer Wasserflasche im Arm geht er trotzdem Richtung Auto. Wahnsinn, wie schnell man in grosse Probleme geraten kann, wenn man nicht richtig vorbereitet ist.

In der anstehenden Nacht denke ich oft an diesen Menschen, der anscheinend nicht aus der Gegend hier kommt. Hoffentlich macht er am nächsten Tag das richtige. Die Nacht bleibt - zum Glück für ihn - mit 0 Grad sehr mild...

Salar de Tunupa

Der weitere Weg nach Llica ist durchwachsen. Wir fragen so oft es geht nach dem Weg. Schieben unsere Räder durch tiefen Sand. Rollen dann wieder auf festem Boden am Rand des Salar dahin. Um gleich danach auf einer holprigen Wellblechpiste ordentlich zu fluchen. Abseits von den Salaren (und Asfaltstrassen) ist das Radeln in Bolivien sehr anstrengend. Extreme Wellblechpisten sind der Normalfall. Der Rand oft mit tiefem Sand versehen. Oder losen, grossen Steinen.

Llica ist ein Kaff im grossen, bolivianischen Nichts. Bietet aber zur grossen Überraschung Internet, einige Shops und Hostals. Nachdem wir wieder alles "aufgetankt" haben, radeln wir ungeduldig gleich weiter zum grössten Salar der Welt - zum Salar de Tunupa!

Die Piste dorthin ist frustrierend. Als wir allerdings endlich den Damm und die Zufahrt zum See erreichen - überwältigend! Eine gigantische Weite tut sich vor uns auf. Mehrmals frage ich die paar einheimschen Autofahrer nach der Isla de Pescado in rund 50 Kilometer Entfernung. Sie ist am Horizont ob des klaren Wetters auszumachen und ist nun unser Orientierungspunkt in der Unendlichkeit.

Bolivien Bolivien
Ohne Worte - Salar de Tunupa (Salar de Uyuni) (Potosí, Bolivien, April 2014)
Ohne Worte - Salar de Tunupa (Salar de Uyuni) (Potosí, Bolivien, April 2014)


Der Übernachtunsplatz im weissen Nichts ist im wahrsten Sinne des Wortes einmalig! Wir bauen unsere Zelt auf, und schlagen die Heringe in den extrem harten Boden - mit einem vom Festland extra mitgenommenen Stein! - hinein. Es wird sogar windstill - und abends beim Kochen (Kartoffeln mit Paradeisern) öffnen Bine und ich je eine Dose argentinisches "Salta"-Bier (350 ml, unpraktisch) aus Llica (naja, eigentlich waren es je zwei). Und stossen auf ein wahrhaftig einmaliges Erlebnis an!

Tags darauf setzen wir unseren 130 Grad Weg Richtung Isla de Pescado fort. Die Salzkrusten bilden "achteckige" Flächen, die wir mit unseren Reifen durchschneiden. Der Boden ist nicht so eben und gut zu radeln wie am Salar de Coipasa, aber die Weite und Grösse ein Erlebnis für sich. So geht´s stundenlang geradeaus. Im unteren Blickfeld stets das leuchtende Weiss des Salz, im oberen der tiefblaue Himmel - dazwischen ein dunkler Fleck, der langsam immer grösser wird: Isla de Pescado!

Diese unbewohnte Insel ist eine willkommene Abwechslung zum steten Radeln geradeaus. Die zahlreichen Kakteen an den Hängen heben sich malerisch von dem weissen Hintergrund des Salars ab. Zwei parkende Touristen-Jeeps deuten auf die Nähe der berühmten Isla de Incawasi hin - DEM Anfahrtspunkt aller Touristen, die den Salar besuchen. Nach 24 weiteren Kilometern stehen Bine und ich vor rund 40 4WD-Fahrzeugen. Auf der Rückseite der Insel Isla de Incawasi finden wir aber einen ruhigen Platz für unser Zelt. Einige Gespräche mit einheimischen Wochenendgästen aus Uyuni, einem Radlerpaar inklusiver 2 Kinder aus Spanien und Andorra und internationalen Backpackern lassen uns fast vergessen, rechtzeitig vor Dunkelheit und eisiger Kälte unser Nachtlager fertig zu machen.

Wie immer auf diesen Etappen koche ich morgens bei Sonnenaufgang in der Apside heisses Wasser für Tee und Kaffee. Dazu gibts Haferflocken mit (wenn geht) Obst oder Rosinen. Die Aussichten vom Zelt aus sind toll - Morgensonne, toll beleuchtete Berge und ein Salzsee, der orange-weiss glänzt!

Auf dem Weg ans Südufer gibt es keine naheliegenden, natürlichen Orientierungspunkte. Wir haben nur eine Gradangabe aus dem Internet - 175! An diese halten wir uns so ziemlich und stossen nach rund 40 Kilometer (zum Glück) an einen Damm, der uns dann nach 5 weiteren Kilometern ans Festland bringt. Zwei Salare haben wir durchquert. Und nehmen unvergessliche Erinnerungen mit!

Auf schlechten Strassen zurück nach Chile

Die Wieder-Gewöhnung an die bolivianischen Pisten fällt nicht unbedingt leicht, nach den insgesamt rund 160 Kilometern "Autobahn" auf den Salzseen. Nochmals treffen wir auf Radler, die uns entgegenkommen. Diesmal ein sehr nettes australisch/polnisches Paar auf dem Weg von Patagonien nach Norden. Schade, dass sie wieder mal entgegengesetzt unterwegs sind. Hätte Spass gemacht, länger als nur 1 ½ Stunden miteinander zu plaudern...

Die Orientierung und die Piste nach San Juan fallen uns schwer. Aber als Bine und ich am Nachmittag auf dem richtigen Weg sind, der Wind von hinten weht, und die Piste plötzlich super radlbar wird, sind wir nicht mehr zu halten. San Juan ist dann allerdings wieder Mal ein Mini-Kaff. Es gibt kein Essens-Lokal, aber immerhin ein Hostal für uns und ein paar kleine Geschäfte für die Weiterfahrt. Da wir müde sind und 10 Tage nicht geduscht haben, bleiben wir bei der Entscheidung, hier einen Tag zu bleiben. Die Dusche bei 4 Grad kaltem Wasser ist zwar kurz gehalten aber trotzdem toll. Wir kochen halt trotzdem wieder unser Zeugs. Aber diesmal sitzen wir auf Sesseln und haben sogar Licht von solargeladenen Batterien!

Der nächste Tag ist Ruhetag. Am Nachmittag kommt richtiggehend ein Sturm auf. Sand wird durch die Gassen von San Juan gewirbelt. Es ist eiskalt. Wir sind froh, heute nicht unterwegs zu sein. Bangen aber natürlich um das morgige Wetter. Und die Befürchtungen sind begründet. Eiskalter, extrem starker Gegenwind begleitet uns bei der Ausfahrt von San Juan in Richtung Westen. Unsere Geschwindigkeit liegt bei unter 10 km/h.

Bolivien Bolivien
Ein Tag mit heftigem Wind macht uns das Leben schwer (Potosí, Bolivien, April 2014)
Ein Tag mit heftigem Wind macht uns das Leben schwer (Potosí, Bolivien, April 2014)


Als wir langsam realisieren, dass wir anscheinend nicht am richtigen Weg sind, wächst die Frustration. Unsere Piste geht zwar auch zur chilenischen Grenze, führt aber weg von einem kleinen Salzsee hinauf auf die Berghänge, ist brutale, steinige Schotterpiste und länger als der "normale" Weg, den wir gar nicht gefunden haben. Der Wind wird so stark, dass wir nicht mehr radeln können. Das Gefühl, soviel Aufwand "umsonst" zu betreiben macht mich rasend. Ich schmeisse mein Fahrrad in den Sand. Ob des starken, kalten Windes eingepackt in warme Kleidung - inklusive Gesichtsschutz und Handschuhen - sitze ich am Pistenrand und fluche unentwegt.

An diesem Tag schaffen wir nur 33 Kilometer. 20 Kilometer davon schieben wir unsere Räder!

Der Tag danach ist wieder wunderschön klar und der Wind nur mehr schwach. Wir radeln "unsere" Strecke weiter, ehe wir dann so 20 Kilometer vor der Grenze anscheinend auf die "Radlerhauptstrecke" kommen, die über den Salar führt. Die Piste wird besser, und schliesslich treibt uns Rückenwind schneller zur bolivianischen Grenze Avaroa als gedacht.

Unser kurzer Trip durch Bolivien war beeindruckend! Die Durchquerung der Salare eine einzigartige Erfahrung!

Dass dann die Einreise nach Chile fast scheitert, ist eine andere Geschichte. Zu lesen im nächsten Bericht...

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