China V – Gansu 2, Shanxi, Sichuan 1 (Uli)
10.12.2008 - 24.12.2008
12538 km, Chengdu (CN)
Lanzhou-Dingxi- Tianshui-Jiangluo- Fengxian- Liuba- Mianxian-Ningqiang-Guangyuan- Mianyang-Chengdu (1068 Kilometer)
Wir sind wieder zurück in Lanzhou – zurück im Winter. Die Kälte tut schon weh, als wir im stockdunklen um 7 Uhr früh den Zug am Hauptbahnhof verlassen. Und auch tagsüber – als wir noch Weihnachtspakete in die Heimat schicken – bleibt es frostig.
Blick vom Hotel auf Lanzhou (CN, November 2008)
Nun geht’s auf zur letzten Winteretappe – rund 1200 Kilometer über viele Berge bis nach Chengdu, wo wir in nur 14 Tagen - also zu Weihnachten - sein wollen, da uns dort Bines Eltern besuchen werden. Und wir alle dort unsere wohlverdienten Weihnachtsferien verbringen wollen. Die Zeit ist also relativ knapp, vor allem deswegen, weil wir uns auf Grund des Winters für eine östlichere, längere Route entschieden haben, die aber nicht so hoch hinaufführt wie direktere Route. Nach dem bisher Erlebten haben Bine und ich ehrlich gesagt schon ein bisschen Respekt vor der Kälte die uns erwartet.Und noch viel mehr – vor dem Schnee, denn dann wird das Radfahren schwer bis unmöglich.
Im „Origos“ in Lanzhou, einem chinesischen „Pizza“-Lokal gönnen wir uns an diesem letzten Abend in Lanzhou um nur 4 Euro pro Person ein All-you-can-eat Buffet und schlagen uns richtig die Bäuche voll.
Letzte Winteretappe
Am nächsten Morgen geht’s wirklich los. Mit Haube, Gesichtsmakse und Handschuhen gewappnet, radeln wir aus dem stinkigen Industriemoloch Lanzhou hinaus. Gleich von Anfang an steigt die Strasse an, und wir lassen bald den Smog der Stadt unter uns. Das Wetter ist, wie fast jeden Tag in dieser Gegend, makellos. Blauer Himmel, Sonne und Frost.
Terrassenfelder in Ost-Gansu (CN, Dezember 2008)
Schnee ist in der Zeit, in der wir das Visum besorgt haben, zum Glück keiner gefallen. So ist die Strasse aper. Eisflächen haben wir trotzdem genügend zu überqueren. Die Chinesen reinigen die Flächen vor ihren Geschäften oder Lokalen jeden Tag, und mit viel Wasser. Dass das nach ein paar Minuten zu einer spiegelglatten Eisfläche erstarrt, stört sie wenig. Auch Fahrzeugreinigung im Winter scheint für viele ein beliebtes Hobby zu sein. Wir balancieren dann vorsichtig unsere schwer bepackten Räder über teils riesige Flächen Eis mitten auf der Strasse.
Berge überall
Zwei Tage lang machen wir stetig Höhe. Es geht zwar nicht viel aber doch immer bergauf. Überraschenderweise ändert sich nun die Landschaft. Nach über 3 Monaten trockener, relativ ebener und wüstenhafter Landschaft wird’s nun hügelig. Die Hänge sind bis oben hin terrasiert. Die Strasse ist eine normale Landstrasse. Kein neuer Wüstenhighway mehr, die Orte sind klein uns nett. Dazwischen ist landwirtschaftliches Gebiet. Für uns ist das etwas sehr schönes, wenn auch überhaupt nicht spektakulär. Die Strasse windet sich die Hügel hinauf, ob es nun links oder rechts geht, ist noch nicht erkennbar. Hinter jeder Kurve ein neues Bild.
Landschaft in Ost-Gansu - auf dem Weg nach Tianshui (CN, Dezember 2008)
Obwohl überall Kulturland, finden wir hier noch recht gute Zeltplätze. Am Rande der Terrassenfelder, unterhalb oder auch 10 Meter oberhalb direkt über der Strasse. Mit rund -6 Grad im Innenzelt sind die Nächte etwas „milder“ als vor Lanzhou. Unser neues Zelt, das uns meine Eltern als verfrühtes Weihnachtsgeschenk haben zukommen lassen, ist eine echte Erleichterung. Alle Reissverschlüsse schliessen einwandfrei und geräumiger ist es ausserdem.
In der Früh ist es meist am schwersten, denn da heisst es bei klirrender Kälte das ganze Zeug in die gefrorenen Packtaschen zu verstauen. Mit allminütlichen Unterbrechungen - um die Finger wieder zum Leben zu erwecken. Aber die Sonne scheint und die Landschaft ist toll. Uns taugt’s. Wir sind wieder unterwegs! Und wir kommen voran. Kein Schnee, der uns bremst!
Die gesamte Mannschaft eines kleinen Restaurants - auf dem Weg nach Shaanxi (CN, Dezember 2008)
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Aufstellung mit chinesischen Offiziellen (CN, Dezember 2008)
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Auf 2500 Meter kommen wir hinauf, aber das Wetter ist prächtig. Danach rollen wir hinunter. Wir ziehen unsere dicken Fäustlinge an, und packen uns mit Haube und Kapuze gut ein. Denn die Abfahrten sind klirrend kalt. Unsere kleine Strasse biegt plötzlich weg vom Tal in die Berge. Wir entscheiden uns, auf die Schnellstrasse zu wechseln. So radeln wir über einen Pfad hinüber zur neuen Strasse, und heben die leeren Räder über die Leitschienen. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellt. Denn die Schnellstrasse ist sehr breit, und hat wenig Verkehr. Die kleine Strasse macht hingegen immer wieder „Abstecher“. Der einzige Nachteil der Hauptstrasse: die Tunnels. Wir montieren unsere Lichter, aber wir sind immer wieder froh wieder draussen zu sein. Innen drinnen sind teilweise Eisflächen, nicht oder nur schlecht beleuchtet. Und hier wird ohne mit der Wimper zu zucken auch in Tunnels überholt.
Bine wärmt sich in einem kleinen Restaurant auf (CN, Dezember 2008)
Vor Tianshui geht’s nocheinmal ordentlich hinauf. Aber nicht bis ganz hinauf. Ein 3 Kilometer langer Tunnel kürzt ab. Die Fahrt da durch scheint endlos, die Motoren heulen ohrenbetäubend, kein Ende in Sicht. Einfach Ruhe bewahren und weiter radeln. Und dann haben wir auch das geschafft. Danach wird das Tal schmal und windig. Toll windet sich die Strasse um jede Biegung. Daneben fliesst ein Fluss. Die Hänge links und rechts sind viel zu steil für Landwirtschaft oder Siedlungen. Bei der Abfahrt überholen wir reihenweise schwerbeladene LKWs. Von den Bremsscheiben steigt unaufhörlich weisser Dampf auf. Hoffentlich halten sie bis unten durch...
In Tianshui gönnen wir uns einen halben Ruhetag. Auch diese Stadt, und auch die Orte davor, sind anders als wir es gewohnt sind. Etwas gemütlicher, etwas älter und etwas mehr Atmosphäre als all die neuen Wüstenstädte der letzten 3000 Kilometer.
Als wir am nächsten Tag aufbrechen, geht’s für 50 Kilometer wieder hinauf. Auf den Hängen steht Nadelwald, da kommt richtig Weihnachtsstimmung bei mir auf. Was für eine schöne Landschaft. Abends finden wir ein 2 Euro Hotel in den Bergen. Die Temperatur im Zimmer: 2 Grad, aber immerhin plus...
Der „Frühling“ kommt näher
Die Berge verlangen viel ab. Oft geht es 500 Höhenmeter hinauf, um danach wieder alles hinunter zu radeln. Am Nachmittag des nächsten Tages geht es wieder hinauf. In Serpentinen. Das sind wir auch schon lange nicht mehr gefahren. Oben finden wir einen tollen Zeltplatz, mit Blick über alle Berge und Terrassenfelder. Am darauffolgenden Tag haben wir am Abend wieder viele Serpentinen vor uns. Das steile Gelände mit Nadelwald bietet uns keinen geeigneten Zeltplatz. Bei einem Haus dürfen wir nicht kampieren, „Mei jou“ hören wir. Es ist bereits fast dunkel. Letztlich entdecken wir doch noch einen Flecken ebenen Grases, und wir können unser neues Zelt aufstellen. Wir sind auf 1500 Meter, aber trotzdem „nur“ Minus 1 Grad im Zelt. Wir merken, dass wir uns in eine andere – wärmere – Klimaregion bewegen.
Super Kampierplatz hoch oben auf den terrasierten Bergen in der Nähe von Tianshui (CN, Dezember 2008)
Auch die Vegetation wechselt. Wir sehen Palmen am Strassenrand, die Felder sind bewirtschaftet. Frühlingsgefühle erwachen bei uns. Es geht weiter fröhlich eine Bergkette hinauf, und auf der anderen Seite hinunter. Wo wir genau sind und wie weit es zu grösseren Orten ist, wissen wir nicht. Unsere Karte ist so ungenau (oder besser gesagt falsch), dass wir immer wieder 40-50 Kilometer(!) zu den in der Karte eingezeichneten Kilometer dazuschlagen müssen. Bei Bergauffahrten von 8 km/h nicht unbedingt irrelevant.
So erreichen wir endlich Fengxian, die Grenzstadt zwischen Gansu und Shanxi, unserer dritten Provinz in China, die wir allerdings nur kurz besuchen werden. Nochmals gehts auf 1800 Meter hinauf, die Kurven bei der Abfahrt sind oft total vereist, vorsichtig gleiten wir drüber. Und plötzlich lesen wir ein Schild: Liuba, 22 km. Da wir über Distanzen oft nicht Bescheid wussten, nun eine erfreuliche Neuigkeit: Mit Liuba haben wir die „höheren“ Berge überwunden und fahren nun ins tiefere und wärmere. Wir sind ganz happy. Ganz leicht rollen wir die 22 Kilometer hinunter und haben eine warme Dusche in einem 8-Euro Hotel.
Schluchten auf dem Weg nach Guangyuan (CN, Dezember 2008)
Von Liuba Richtung Süden haben wir eine tolle und dankbare 70 Kilometer Abfahrt hinunter in die „Ebene“. Dabei folgt die Strasse jeder Biegung des engen Tales und des darin fliessenden Flusses. Ein sehr schöner Abschnitt. Doch plötzlich ist die Strasse gesperrt, und eine Umleitung führt den steilen Berghang hinauf, hunderte Höhenmeter, wir sehen gar nicht das Ende. Auf der eigentlichen sehen wir eine grosse Brücke, die anscheinend gerade generalüberholt wird. Wir versuchen unser Glück, und radeln an der Absperrung vorbei zur Baustelle. „Mei yu!“, hören wir gleich, und die Bauarbeiter deuten auf die Umleitung. Wir aber deuten auf unsere bepackten Drahtesel, auf die Steigung der Umleitung, und zeigen ihnen, dass wir nur schnell unsere Räder über die Brücke schieben wollen. Und plötzlich öffnen sie tatsächlich die Absperrung, und wir können passieren. Glück gehabt, das hat uns sicher Stunden schweisstreibendes Radeln bei Schwerverkehr erspart.
Radeln am frühen Morgen in Shaanxi Provinz (CN, Dezember 2008)
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Morgensonne (CN, Dezember 2008)
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Auf der Weiterfahrt ist es nun eindeutig zu merken. Wir sehen einige Vögel, die Felder sind grün, exotische Pflanzen. Obwohl immer noch kühl (Haube und Handschuh sind immer noch Pflicht), ist der Klimawechsel nicht zu übersehen. Die Temperatur ist erträgich, und das obwohl bei Nebel und Wolken nun einmal keine Sonne scheint. Normalweise ist es ohne wärmender Sonne gleich eisig kalt.
Auf nach Chengdu
Die vermeintliche,
Bauernhaus auf dem Weg nach Mianxian (CN, Dezember 2008)
von uns erwartete Ebene ist gar keine. Auf dem Weg nach Guangyuan geht es wieder 70 Kilometer nur bergauf, und wir erreichen wieder eine Höhe von über 1300 Meter. Aber die engen Täler sind toll, die Sonne zeigt sich wieder an den sonst extrem feucht-nebeligen Tagen, die Nadelwälder riechen so gut nach Holz und passen sehr gut zur Weihnachtszeit. Dass diese Ecke von China so gut zum Radeln ist, hätten Bine und ich nicht gedacht.
Langsam kommen wir aber in Zeitnot. Die Berge hören einfach nicht auf, und die Ankunft von Bines Eltern ist schon in 3 Tagen. So entschliessen wir uns, für 130 Kilometer in den Bus zu steigen, und gelangen nach nur 2 Stunden Fahrt in die Stadt Mianyang. Die Hügel sind hier nun doch schon sehr niedrig, und die letzten 150 Kilometer radeln wir nun seit längere Zeit wieder in der Ebene.
Riesenstadt. Verkehrschaos. Nebel. Wir sind bei den Pandas angekommen. Chengdu, ein weiteres grosses Ziel ist erreicht. Morgen holen wir Bines Eltern vom Flughafen ab, und dann gibt’s 2 Wochen Weihnachtsferien!
Nun wird's endlich langsam suptropisch - zumindest einmal die Vegetation. Chengdu (CN, Dezember 2008)