China VIII – Kunming nach Laos (Uli)
13.2.2009 – 28.2.2009
14853 km, Luang Prabang (LAO)
Kunming- Jiangchuan-Tonghai- Jianshui-Yuanyang-Xinje-Luchen- Jiangcheng- Mengxin-Mengla-laotische Grenze (822 Kilometer; 10.820 Höhenmeter)
Die Ausfahrt aus der Grossstadt Kunming ist ähnlich mühsam wie jene aus Chengdu. Ist man nicht auf Autobahnen unterwegs, gibt’s überhaupt keine Hinweisschilder, die uns nur annähernd einen Weg weisen könnten. Und die Leute, die wir andauernd fragen, weisen uns in die eine, und dann wieder in die andere Richtung. Erst Mittags und bei Kilometerstand 40 sind wir einigermassen ausserhalb der Stadt und wissen, wo wir sind. Solche Ausfahrten kosten Zeit und vor allem Nerven.
Aber auch die ersten Kilometer „Landstrasse“ sind nicht gerade erbauend. Es ist zwar eine kleine, „gelbe“ Strasse, doch die ist schlaglochübersät, staubig und von vielen, vielen LKWs befahren. Und einen der zahlreichen Seen südlich Kunming’s haben wir auch noch nicht gesehen.
Endlich draussen
Die Lage und Stimmung bessert sich allerdings schlagartig, als wir die „Hauptroute“ entlang der 213er verlassen, um auf die kleine Nebenroute über die Reisterassen Yunnans abzubiegen. Denn die Bilder, die ich von den berühmten Reisterrassen gesehen habe, haben mich sehr beeindruckt. So nehmen wir schlechte Strassen und tausende von Höhenmeter in Kauf, um erst kurz vor der laotischen Grenze wieder auf die Hauptstrasse 213 zu gelangen.
Gleich nach der Abzweigung also ist der meiste Verkehr verschwunden, und das kleine Strasserl windet sich den ersten Berg hinauf. Das Wetter ist nun tagsüber stabil warm, und wolkenlos. Noch immer geniesse ich die warme Luft auf meiner Haut. Fünf Monate hatten wir’s nun richtig kalt, und an diese angenehme Wärme will ich mich gar nicht so schnell gewöhnen. Rundherum alles grün und in Blüten. Herrlich!
Es wird schon dämmrig als wir schliesslich eine kleine Stadt mit Hotel erreichen. Trotz der langsamen Stadtausfahrt und der Berge sind wir knappe 100 Kilometer geradelt. Nicht schlecht. Am nächsten Tag geht’s genauso gut weiter. Bei Tonghai folgen wir den Schildern nach Jianshui. Unversehens geht die Strasse in eine Autobahn über. Da wir keine Lust auf einen grossen Umweg haben, radeln wir an der Mautstelle vorbei und geniessen besten Asfalt und etwas weniger Kilometer als auf der Landstrasse. Der Gegenwind und die Steigungen lassen uns aber nicht so recht vorankommen. Auch an diesem Tag radeln Bine und ich bis zur Dämmerung. Nach 115 Kilometer und 1.000 Höhenmeter erreichen wir das Ende der Autobahn und die Stadt Jianshui.
Als wir am nächsten Morgen aus Jianshui rausradeln, werden wir wieder einmal gebeten, für ein paar Fotos zu posieren. Das passierte uns in China eigentlich relativ oft. Meist sind es Inlandstouristen manchmal auch Einheimische aus der Gegend. Mehr schlecht als recht lassen wir das über uns ergehen, denn Interesse an uns oder unserer Reise besteht nicht. Wir halten mehr als die „verrückten Aliens“ her, und danach – ohne ein Frage gestellt zu haben – rauschen sie gleich wieder ab.
Auf dem Weg nach Yuanyang geraten wir richtig ins Schwitzen, denn tagsüber wird’s nun nämlich richtig warm. Und die Steigungen und der nach wie vor starke Gegenwind tun ihr übriges. So wird aus dem von uns geplanten „Ruhetag“ ein Radln bis zur – erraten – Dämmerung. Um 16 Uhr erreichen wir erst den höchsten Punkt auf 2.100 Meter. Danach erwarten wir eine rasant Abfahrt auf 500 Höhenmeter hinunter. Wir verbringen noch einige Zeit in einer kleinen Stadt oben in den Bergen. Denn dort ist gerade Markttag, und das Chaos, die Gerüche, die Farben haben uns sofort in den Bann gezogen. Wir stellen unsere Räder ab, und Bine verschwindet sofort im Chaos des Basars. Ich, immer ein Auge auf unsere Räder, machen einige Fotos. Die späte Nachmittagssonne liefert ein super Licht.
Tolle Berge, viele Hoehenmeter
Danach geht’s endgültig hinunter. Doch die Strasse ist schlecht, und wir können die Räder nicht einfach so laufen lassen. Stattdessen bremsen wir die Packesel auf 40 Kilometer 1.600 Höhenmeter hinunter. Schlaglöcher, Schotterabschnitte, holpriger Asfalt. Und die Strasse windet sich endlos die Berghänge hinunter. Wir haben spektakuläre Ausblicke tief ins dunkle Tal hinunter. Kleine Ortschaften kleben an den gegenüberliegenden Berghängen. Und wir sehen, oder besser gesagt bewundern, die ersten Reisterrassen! Wahnsinn, wie diese von Menschenhand in die Hänge gegraben wurden. An den so schwer erreichbaren Hängen. Was für ein Aufwand muss es sein, diese zu bewirtschaften. Warum dann Reis das wohl billigste Nahrungsmittel der Welt ist, ist mir eigentlich unbegreiflich.
Als wir schliesslich unten im Tal ankommen, verwandelt sich die Strasse auf den letzten Kilometer in eine Schotterpiste. Der Gegenwind bläst und es – richtig – wird gleich dunkel. Mit letztem Tageslicht finden wir eine Hotel in Yuanyang. Die Luft ist feucht und warm, Insekten in der Luft. Die Haut klebt. Wir merken, dass wir nun sehr niedrig sind. Und merken auch, dass so der Alltag in SO Asien aussehen wird....
Bine hat am nächsten Tag keine Lust auf die 1.400 Meter, die sich die Strasse auf 30 Kilometer nach Xinjie, dem Hauptort der Reisterrassen, hinaufwindet. So nimmt sie schlankerhand einen Bus hinauf, während ich die Strecke mit dem Packesel unter die Räder nehme. Ich sehe das erste Mal die Reisterrassen direkt neben der Strasse. Und viele Frauen, die in bunter Tracht gekleidet ihrer Feldarbeit nachgehen. Die Stadt Xinjie liegt beeindruckt auf einem Bergsattel, keine Strasse verläuft hier eben. Entweder runter oder rauf....
Nächster Tag. Es geht weiter bergauf. Und nun sind wir wirklich inmitten der Reisfelder. Wir haben gigantische Aussichten auf riesige Flächen, die komplett terrassiert sind. Das blaue Himme spiegelt sich in den mit Wasser gefüllten Becken. Tief unten im Tal liegen Wolken. Wahnsinn. Nachdem wir auf 2.200 Meter Seehöhe weiter aufgestiegen sind, beginnt wieder eine grosse Abfahrt auf 600 Meter hinunter. Gleich nach ein paar Meter bricht die Halterung auf einer Seite meines Lowriders. Fürs erste können wir nicht mehr tun als mit Draht professorisch wieder zu fixieren.
Dann geht’s hinunter. Tausende, ja abertausende von Reisterrassen. Auf allen Berghängen, die wir erblicken. Je nach Himmels- und Fahrtrichtung schauen sie wieder anders aus. Für mich sehr beeindruckend. Im Tal unten ist es wieder sehr warm und feucht. Bananenplantagen säumen die kleine Strasse. Wasserbüffel liegen im Schatten. Im nächsten Ort entschliessen wir zu bleiben. Die 2.000 Höhenmeter hinauf heben wir uns für den nächsten Tag auf.
Und dieser nächste Tag hat es dann ganz schön in sich. Schon gleich nach ein paar Kilometern plötzlich ein grässlich metallischer Lärm von meinem Vorderrad. Oh weh, was ist das!? Speichen-, Felgen- oder Gabelbruch, sind meine ersten Gedanken. Ich hebe das Vorderrad an und schiebe das Rad am Hinterrad an den Strassenrand, um mein Radl zu begutachten. Doch bald Erleichterung. Ein Stein hat sich knapp überhalb der Radnabe zwischen Lowriderschraube und Schnellspanner verkeilt, und so an den Speichen gerieben. Erleichtert entfernen wir den Stein und weiter geht’s.
Diesmal radeln wir, obwohl es immer talaufwärts geht, auch ein paar Mal hinunter. Um am späten Nachmittag ist ein Bergsattel und damit ein Ende des Aufstiegs in Sicht. Im Gegenteil, hinter jeder Kehre türmen sich weitere Berghänge auf. Bine schimpft nur noch, auf mich und die Welt. Doch dann unvermutet - wir haben einen weiteren Anstieg an der abbiegenden Strasse erwartet – sind wir oben. Ein paar Kilometer rollen wir noch hinunter nach Luchen. Die untergehende Sonne lässt tausende Reisterrassen im Glanz erstrahlen. Wie Perlen liegen sie an den Hängen. Einfach traumhaft.
2.000 Höhenmeter sind wir schliesslich und endlich hinauf geradelt, und immerhin 700 Meter hinunter, auf einer Strecke von nur 65 Kilometern. Bine ist vollkommen K.O. Gute Nacht...
Ka Goed, ka Musi
Die kleine Stadt Lushen liegt ähnlich toll hoch oben in den Bergen wie Xinje. Viele chinesische Touristen tummeln sich hier, dementsprechend hoch ist die Anzahl an Karaoke Lokalen. Und dementsprechen hoch der Lärmpegel in der Nacht. Trotzdem entschliessen wir uns, hier einen Ruhetag zu verbringen. Doch aus Entspannung wird leider nichts. Denn: wir können keine chinesischen Yuan auftreiben. Die 2 ATMs der Stadt funktionieren nicht bzw. akzeptieren keine internationalen Bankkarten oder VISA Karten. Und die einzige Bank der Stadt tauscht keine US-Dollar oder EURO. Stundenlang suche ich nach einer Möglichkeit, frage in Hotels, frage chinesische Touristen. Doch alles vergebens. Nach langem Abwägen der Möglichkeiten entschliessen wir uns, am nächsten Tag unsere letzten Yuan in eine Busfahrt zurück nach Xinje, Yuanyang oder sogar Guije. Je nachdem wo wir Geld auftreiben können.
Ärgerlich und schade. Denn, ganz zur Freude für Bine, müssen wir nun irgendwo einen Bus nehmen, um noch rechtzeitig nach Laos zu kommen. Und mir tut das sehr leid. Nun gut, am nächsten Tag früh am Morgen, halten wir, auf dem Weg zum Busbahnhof, den ersten Bus auf, der uns nach Xinje mitnimmt (der einzige des Tages, wie sich später herausstellt). Nach 4 Stunden und tausenden von Höhenmeter steigen wir aus, und haben Riesenglück. Der Geldautomat, der vor 3 Tagen noch kaputt war, funktioniert wieder, und nach 1 Minute stocken wir unser verbliebenes 3-Euro Budget auf 100 Euro auf. Puuh, das wäre geschafft.
Nun noch die Rückfahrt. Der einzige Bus des Tages geht erst am Abend los. So können wir ein Sammeltaxi auftreiben, das uns ungefähr die erste Hälfte der Strecke mitnimmt. Von dort verkehren nicht einmal mehr Taxis. Per Zufall nehmen wir den nächsten Bus, der in unsere Richtung fährt. Eher die rustikale Art braust er die Berge wie wild hinauf. Und er fäht und fährt bis nach....Luchen. Glück gehabt.
Die Abfahrt von Luchen ist anders als erwartet. Ich habe wieder auf tolle Reisfelder und steile Hänge gehofft. Stattdessen keine allzu langer Abstieg, einige Häuser und keine Reisterrassen. Aber es ist sonnig, angenehme Temperatur und gute Strasse. Am Ende vom nächsten Aufstieg, der uns wieder auf 2.100 Meter hinaufbringt, treffen Bine und ich plötzlich auf 2 entgegenkommende Radler. Zwei Amerikaner, die einen Radurlaub in Yunnan machen. Und sie geben uns eine interessante Neuigkeit: die Strasse, die vor ein paar Monate noch Schotterpiste war, ist vor wenigen Wochen neu asfaltiert worden.
Stefan Neuner ist wohl der letzte gewesen, der diese Strecke in seiner ganzen Härte erfahren durfte, noch dazu in der Regenzeit. Das ändert auf jeden Fall unsere Situation. Denn aus Zeitgründen (wir wollen rechtzeitig in Laos sein, um Freunde zu treffen) hatten wir vor, diesen Abschnitt per Bus zurückzulegen.
So radeln wir noch zum nächsten grösseren Ort, 110 Kilometer sind wir gekommen. Am nächsten Tag nehmen wir einen Lift über den nächsten Berg, auf schlechtester Schotterpiste und hinunter nach Jiangcheng, nur 60 Kilometer. Mir tut’s trotzdem leid. Bine setzt sich dort in einen Bus und fährt nach Mengla, sie kann sich für die ganzen Berge und Anstiege nicht mehr motivieren. Mir hingegen taugt es nach wie vor, und so radl ich an dem Nachmittag noch knappe 70 Kilometer, die Hälfte davon auf ganz neuem, perfekten Teer!
Dschungel in Suedchina
Die Reisterrassen sind nun endgültig vorbei, stattdessen gibt es viel Teeanbau. Das kleine Strasserl führt durch ganz kleine Ortschaften, hin und wieder durch Waldgebiete, wenig Verkehr. Einfach traumhaft. Und die grossen, langen Steigungen haben wir auch hinter uns. Es sind zwar immer noch so 1.000 – 1.500 geradelte Höhenmeter am Tag, aber verteilt auf mehrere „kleine“ Anstiege. Am nächsten Tag erreiche ich Mengxin, das bereits an der Hauptstrasse 213, die nach Laos führt, liegt. Zu meiner Überraschung ist dort alles 2-3 sprachig angeschrieben: in chinesischer, englischer und laotischer Schrift. Es gibt auch einige Produkte aus Laos und Thailand zu kaufen. Die Nähe zu SO-Asien ist hier allgegenwärtig.
Es gibt eine neue Hauptrasse, aber aufgrund meherer unangenehmer Tunnels entschliesse ich mich, die alte 213er zu nehmen - die natürlich um einige Höhenmeter mehr zu bieten hat. Wie froh bin ich um diese Entscheidung. Denn abgesehen von der Sicherheit radel ich durch ein wunderschönes Gebiet. Toller, primärer Regenwald! Hohe Urwaldriesen, Farne, dichtes Grün, Bäche. So vielfältig und traumhaft! Die Strasse führt andauernd bergauf, doch ich bin so fasziniert und abgelenkt von diesem tollen Abschnitt, dass ich das gar nicht so merke. Über eine Stunde begegne ich kein Auto und keinen Menschen. Ein bisschen unwohl wird mir, da ich keine Ahnung habe, welche Tiere es hier im Dschungel so gibt...
Nach nur 2 ½ Tagen bin ich bei Bine in Mengla, der letzten Stadt in China auf dem Weg nach Laos, das nur mehr 60 Kilometer entfernt liegt. Palmen säumen die Hauptstrasse, viele Menschen haben hier schon dunklere Hautfarbe und ein schon „SO-asiatisches“ Aussehen. Jetzt heisst es, bald Abschied zu nehmen von China. Nach fast 6 Monaten und knapp 7.000 geradelten Kilometern.
Mengla ist eine angenehme, (für chinesische Verhältnisse) „kleine“ Stadt. Eine mit Palmen gesäumte Hauptstrasse, warmes Klima. Wir sehen schon einige laotische bzw. thailändische Produkte, unter anderem das Red Bull in thailändischer Version um den halben Preis verglichen mit der chinesischen Version. Und ein junger Mann macht auf der Strasse eine Art Palatschinken mit Marmelade. Seeeehr gut!
Abschied nach 6 Monaten
Mangels irgendwelcher gemütlicher Lokale (die gibt es mit wenigen Ausnahmen in ganz China nicht) trinken wir abends bei der Garküche noch ein paar schön gekühlte Biere. Und lassen das letzte halbe Jahr im Geiste noch einmal Revue passieren. Das macht Spass. China ist ein wirklich gutes und interessantes Land zu reisen. Vor allem die (aufgrund der Kommunikationsprobleme vielleicht etwas hintergründige) Liebenswürdigkeit und die Ehrlichkeit der Chinesen war für uns sehr schön. Und der hohe Reisestandard mit guten Hotels und gutem Essen verbunden mit geringen Kosten waren natürlich einmalig. Ich kenne keine anderes Land mit einem derart gutem Preis-/Leistungsverhältnis.
So fällt es uns dann doch etwas schwer, China zu verlassen. Jetzt heisst es auch wieder, sich nicht nur an ein neues Land zu gewöhnen sondern auch an einen anderen Kulturkreis. Der Grenzort Mohan ist auf unseren grossen Karten gar nicht eingezeichnet, auf der chinesischen Yunnankarte als kleiner Ort. Aber Mohan zeigt zum letzten (oder je nach Reiserichtung zum ersten) Mal, was China drauf hat. Vierspurige Strassen, Palmen und Gärten, Geschäfte, Lokale, Banken. Wahnsinn. Bine und ich ahnen auch, dass es jenseits der Grenze wohl ganz anders aussehen wird.
So heben wir noch schnell 300 Euro (in Yuan) per Maestro Karte ab und tauschen es noch in der Stadt zu einem annehmbaren Kurs in mehr als 4 Millionen laotische Kip um. Wir passen sehr auf, denn die tauschenden Frauen wissen zu bescheissen. Wir finden einen „leeren“ Geldbündel, und einer ist mit kleineren Scheinen gefüllt und daher nur die Hälfte drin. Aber wir lassen uns Zeit und kontrollieren alles.
Ein 20 Meter hohes, chinesisches Grenzgebäude wird gerade gebaut. Da radeln wir noch durch. Und schwupps, sind wir draussen aus China.