Georgien (Uli)
27.5. 2008 - 16.6. 2008
4248 km, Goecay (AZ)
Batumi - Kutaisi - Gori - Tbilisi - Lagodekhi
Eine georgische Faehre, zweifellos
Schon auf der Faehre von Sochi in Russland nach Batumi, einer wichtigen Hafenstadt von Georgien, lernen wir einiges ueber unser neues Reiseland - das vierte der Tour - kennen. Zum einen das gemeinsame, ueberschwengliche und chaotische Essen. Mitgebrachtes Essen wird von allen auf dem Tisch verteilt, Trinken ebenso, und es wird zugelangt, geschmatzt, Essen faellt auf den Boden, und miteinander geschrien - der Motor des Bootes ist direkt unter uns, es waere auch ohne Georgier schon laut genug. Weiters ganz typisch:
Alkohol fliesst in rauhen Mengen, und nach einige Stunden Fahrt koennen einige nicht nur wegen des schwankenden Schiffes nicht mehr ordentlich geradeaus auf die Toilette gehen. Und alle fuenf Minute setzt einer zu den beruehmten Trinkspruechen an, die einige Zeit in Anspruch nehmen bis dann tatsaechlich der Schnaps hinuntergekippt wird - auf ex versteht sich. Mit zunehmender Dauer werden die Toasts immer emotionaler, die Umarmungen immer inniger. Wir selber sind froh, halbwegs ohne Uebelkeitsgefuehl ueber das Schwarze Meer zu gelangen. Als ein orthodoxer Priester den Raum betritt, bekreuzigen sich die Maenner und neigen ihr Haupt demuetig in seine Richtung.
Ich geniesse das ganze, denn zum einen versichert mir diese Szenerie, dass Georgien ein angenehmes Land fuer uns sein wird, zum anderen bin ich immer noch wahnsinnig froh und erleichtert, Russland entflohen zu sein. So vergehen die 7 Stunden Fahrt relativ schnell, mir wird ebenfalls Essen gereicht, dem Schnaps kann ich entfliehen indem ich auf meinen Magen klopfe und Uebelkeit andeute.
Der Hafen von Batumi (GE, Mai 2008)
Hin und wieder gehe ich ins Freie zu unseren Raedern und geniesse die frische Luft und das blaue Meer. Gegen Ende der Fahrt faengt es zu regnen an, und die See wird unruhiger. Da kaempft Bine dann doch mit Uebelkeit, noch dazu muessen wir eine Stunde vor dem Hafen vor Anker gehen, da anscheinend die Anlegestelle besetzt ist. Die Einreise war dann angenehmerweise komplett problemlos, keine Visum, keine Zollkontrolle, nur eine zweimaliges
"Welcome to Georgia!" von den Grenzbeamten, und um 1/2 11 Uhr nachts waren wir fertig eingereist.
In Batumi blieben wir 5 Tage, laenger als erwartet, da ich krank wurde. Vielleicht war das Abfallen des psychischen Stresses wegen Russland der Grund dafuer, auf jeden Fall habe ich 2 Tage das Bett gehuetet. Ansonsten haben wir das nette Hafenstaedtchen Batumi angeschaut, sind durch die Maerkte und Geschaefte geschlendert, haben das Treiben auf dem Hafen und die Fischer beobachtet. Alles Neue haben wir aufgesaugt. Denn kulturell und mentalitaetsmaessig hat das kleine Georgien, es hat die Groesse von Bayern, nichts mit Ihrem ehemaligen Mutterland Sowjetunion gemeinsam, es ist kein typisches Ex-russisches Land. Es orientiert sich an Europa. So betreten wir in Batumi eine neue Welt, die uns sehr an Kleinasien erinnert. Die Leute sehr kommunikativ, freundlich und hilfsbereit. Alles ist wieder um einiges billiger als in Russland, und fuer uns wieder leistbar. Wir sind Asien nicht nur distanzmaessig wieder ein Stueck naeher gekommen.
Auf durch Georgien
Da Bine leider einmal genug von Bergen hat, radeln wir nicht nach Osten durch die Berge (da waren wir auf ueber 2000 Meter gekommen), sondern fahren die Hauptstrasse nach Norden die Kueste entlang. Vor der Hafenstadt Poti geht es aber dann auch ins Landesinnere nach Osten - Richtung der Hauptstadt Tbilisi. Wir fuehlen uns von Anfang an sehr wohl, die Leute gruessen ueberall, von der Strasse weg winken einige Maenner uns zu mit Ihnen einige Glas Schnaepse zu trinken. Dem gehen wir aber eher aus dem Weg, denn alkohlsierte Georgier sind, wie es auch die Ukrainer und Russen waren, meist sehr nett, aber ist im grossen und ganzen mehr anstregend als lustig mit Ihnen zu "kommunizieren".
Eines unserer typischen Mittagessen (GE, Juni 2008)
Unser Essen besteht meist aus viel Gemuese, Schafs- bzw. Ziegenkaese, und Brot, meist Lavash, das gute Fladenbrot. Da das Land meist besiedelt ist, fragen wir Abends bei Bauern nach einem Platz fuer unser Zelt. Meist werden wir aber schon davor eingeladen zu bleiben. So lernen wir einige georgische Familien etwas besser kennen. Bogdang und seine Familie zum Beispiel, die uns sofort ein Abendessen servierten und darauf bestanden haben, dass wir in Ihrem Haus und nicht im Zelt die Nacht verbringen. Am naechsten Abends uebernachten wir im Garten eines Gasthauses in den Bergen, leider faellt abends - wie so oft - der Strom aus und der hauseigene Generator wird angeworfen. Leider ein paar Meter von unserem Zelt entfernt. Ich bin trotzdem gleich eingeschlafen...
Am naechsten Tag gehts ueber einen Pass, oben wird allerdings der Berg mit einem 2 Kilometer langen Tunnel abgekuerzt. Vor der Einfahrt liegt ein voellig abgebrannter Sattelschlepper, ein Grund mehr fuer uns die Umfahrungsstrasse oben ueber den Berg zu nehmen. Wir kommen nach Gori - und werden von Tanja zum Uebernachten eingeladen. Sie hat vor einiger Zeit Ihren Mann verloren hat und traegt deswegen, wie sehr viele Frauen in Georgien, schwarze Kleidung. Auch wir duerfen in Ihrer Wohnung im 5. Stock zusammen mit Ihrer Familie wohnen. Kein Lift, kein fliessendes Wasser, d.h. jeder Liter Waser zum Waschen, Kochen, Putzen tragen die Frauen in Kuebeln 5 Stockwerke hinauf. Umgerechnet
35 Euro kostet die Miete fuer ungefaehr 60 Quadratmeter pro Monat, plus zusaetzlich ein paar Euro fuer Wasser und Strom. Tanja hat ein kleines Lebensmittelgeschaeft und bestreitet damit Ihren Unterhalt und den Ihrer Familie. Auch wir duerfen dort zu Abend essen, und nach ein paar Glaeser georgischen Rotwein,
kann ich fliessend Russisch.
Wir geniessen die georgische Gastfreundschaft (GE, Juni 2008)
Hin und wieder finden wir auch normale Wildkampierplaetze, so haben wir Abends auch ein bisschen Ruhe und Zeit fuer uns. Die Temperaturen sind tagsueber schon ziemlich hoch, und einige langgezogene Steigungen gibt es auch. Aber es macht uns Spass in so einem Land unterwegs zu sein, denn wir wissen, bei Problemen und beim Uebernachten wird ueberall fast selbstverstaendlich ausgeholfen. So erreichen wir nach knapp 400 Kilometer die Hauptstadt - Tbilisi oder Tiflis. Eine extrem langgezogene Stadt, durch die entlang der Laengsachse der Fluss Mtkvari fliesst. Leider entpuppt sich die Suche nach einem billigen Hotel als sehr, sehr schwierig. Und so sind wir schliesslich und endlich froh, fuer rund 23 Euro ein Hotel gegenuber der Altstadt beziehen zu duerfen. Eine grosse Belastung fuer unser Budget, denn zumindest das aserbaidschanische Visum wollen wir besorgen, wenn moeglich auch noch andere. Einige Tage Aufenthalt sind also fix.
Tbilisi
Diesmal wird Bine krank, sie hat Fieber und Durchfall. So klappere ich die Botschaften alleine ab, ich beantrage das aserbaidschanische Visum, das wir in 4 Tagen um stolze 60 Euro pro Visum erhalten. Die Leute vom Konsulat sind aber freundlich und hilfsbereit, und akzeptieren, dass Bine nicht persoenlich erschienen ist. Glueck gehabt! Als sich Bines koerperliche Verfassung bessert, schlendern wir durch die Altstadt und geniessen das gute Essen, das man auf der Strasse kaufen kann. Meist fettige, gebacken Teilchen mit Fuellung innen drinnen, oder das beruehmte Katchapuri, ein Brot, gefuellt mit Schafskaese und Spiegelei. Oder auch normales Kepab.
Tbilisi bei Nacht (GE, Juni 2008)
Zu den Botschaften nehmen wir das Taxi, der Verkehr ist schon ziemlich chaotisch. An jeder Kirche - und davon gibt es sehr viele in Tbilis - an der vorbeigefahren wird,
bekreuzigen sich die Taxifahrer. Hoffentlich bringts was. Auch Busse nehmen wir, die sehr billig sind. Wenn man einmal weiss wohin die fahren, ist alles kein Problem mehr. Im Hotel abends kann ich einige Spiele der EURO 2008 anschauen, allen voran die ersten beiden Spiele der Oesterreicher. Und vom Hotel hat man einen super Ausblick auf die gegenueberliegende Stadt, mit den vielen beleuchteten Kirchen, der Burg und dem riesigen beleuchteten Fernsehturm.
Zur Grenze
Nach dem wir das aserbaidschanische Visum doch einen Tag spaeter als erwartet bekamen - ein Stromausfall hat die weitere Bearbeitung behindert - starten wir gleich am naechsten Tag Richtung Aserbaidschan. Diesmal allerdings nicht auf direktem Weg zur 60 Kilometer entfernten Grenze nach Rustavi, sondern nach Nordosten, nach Lagodekhi, in die Berge. Die Strasse ist am Anfang allerdings sehr ausgebaut und stark befahren, erst spaeter wird sie zu einer einsameren, kleineren Strasse entlang der georgisch-russischen Berge. Der hoechste Berg Georgiens, der Kazbegi, ist ueber 5000 Meter hoch. Leider sehen wir die Berge an keinem einzigen Tag richtig klar, nur ein paar weisse Schneehaenge durch die Wolken. Schade, denn das war eigentlich unsere Motivation diese Route zu nehmen.
Die letzte Nacht verbringen wir nur 3 Kilometer von der aserbaidschanischen Grenze entfernt, am Rande eines grossen Bachbettes, das die Haenge der Berge hinunter verlaeuft. Wir verlassen ein Land, in dem wir uns extrem wohlgefuehlt haben. Nun gehts erstmals in ein muslimisch dominiertes Land, und eines, von dem ich noch ueberhaupt keine Vorstellung von den Menschen oder der Landschaft habe.
Der letzte Kilometer auf georgischem Boden (GE, Juni 2008)