die relativitaet von zeit und raum (busfahren in nepal teil 1)
Nepal
7. August 2003
die relativitaet von zeit und raum (busfahren in nepal teil 1)
aus der 2-teiligen serie "busfahren in nepal" - teil 1
8910 km, kathmandu (NEPAL)
gemuesetransport. getreidetransport. posttransport. viehtransport. menschentransport. verstaut auf sitzen, im mittelgang, oben am dach. dicht an dicht. ueberladen. 12 stunden fuer 130 kilometer. eine demonstration der relativitaet von zeit und raum. unterwegs mit oeffentlichem bus in nepal.
vor 4 tagen sass stephan guby noch an seinem arbeitsplatz im container - baustelle ARGEFG30 strabag AG-oestu-stettin im 2. wiener gemeindebezirk, lassallestrasse 9b. jetzt sitzt er ebenfalls - allerdings oben auf einem busdach. gehoerend einem indischen TATA in nepal. der sich elendslangsam die holprige schotterpiste den berghang hinunterquaelt. mit beiden armen krallt er sich am metalltraeger fest. meine regenjacke als unterlage lindert die schmerzen, die die gitterstaebe an seinem hinterteil verursachen. ringsherum lauter nepalesen, die ebenfalls keinen stehplatz ein stockwerk tiefer im inneren des maroden gefaehrts, ergattern konnten. stephan und ich lachen uns gegenseitig an. was fuer ein einstieg fuer einen asien-neuling.
kathmandu-sybru besi. ausgangspunkt unserer trekkingtour durch das langtang-tal - ganz nah an der tibetischen grenze gelegen. hoch oben in den bergen. 30 km luftlinie von kathmandu entfernt. 130 km auf der seit 10 jahren existierenden, sehr bergigen strasse. klingt einfach, ist es vielleicht auch. allerdings nicht in nepal. und nicht per 'public bus'.
typisch fuer touristen, sind stephan, bine und ich die ersten passagiere beim bus nach sybru besi. daher geniessen wir das privileg, unsere wanderrucksaecke hinten in einem kleinen stauraum verladen zu duerfen. und nicht wie ueblich oben auf dem dach. zu spaet merken wir aber, dass die ladeflaeche voller schlamm ist. so sind unsere backpacks vollends verdreckt, bevor die fahrt, und vor allem bevor die 1-woechige wanderung, ueberhaupt begonnen hat.
puenktlich um 7uhr30 verlaesst unser TATA den busbahnhof in kathmandu. allerdings halbleer. die hoffnung, eventuell genuegend platz waehrend der reise zur verfuegung zu haben, wird nach wenigen minuten zerstoert. der bus bleibt unvermittelt stehen. an der rechten seite quaelt sich beaengt der nicht abreissende verkehrststrom vorbei. davor steht ebenfalls ein fahrzeug. an der linken seite eine absperrung. keine ideale bushaltestelle, denke ich mir. die einheimischen sind anscheinend anderer meinung. problemlos ueberwinden nepalesen in grosser zahl die metallschranken und steigen ein. frauen tun sich vor allem ob ihrer weiten saris schon etwas schwerer. der groesste aufwand muss fuer die zahlreichen, riesigen kartoffelsaecke betrieben werden. mit vereinten kraeften werden diese ins businnere gehievt. dann duerften den helfern wohl die kraft ausgehen. das gut wird naemlich direkt vor dem ausstieg im gang und auf den stufen gestapelt. den schwierigkeitsgrad der hindernisse, dieses verkehrsmittel in anspruch nehmen zu koennen, hat der fahrer wohl weit ueberschaetzt. nach 15 minuten ist der bus gerammelt voll. auch auf all dem transportgut im gang haben es sich viele nepalis gemuetlich gemacht. meine annahme, dass all die saecke wohl nur deswegen nicht aufs dach gehievt werden, weil ihr transport wohl nur von kurzer dauer ist, erweist sich schliesslich und endlich als falsch. das den ein- und ausgang versperrende gut begleitet uns bis zum endpunkt.
leute steigen regelmaessig aus. die meisten jedoch ein. in kleinen ortschaften werden gepaecksstuecke verladen oder vom dach genommen. alles in einem chaos, an das man sich interessanterweise innerhalb weniger stunden gewoehnen kann. auch an die fahrgaeste und buspersonal, die im bus spucken und schlatzen dass es eine freude ist. die aus dem fenster speiben (fuer unsere leser aus deutschland: kotzen), dass man lieber wegschaut. und die waehrend der holprigen fahrt barfuss oder mit schlapfen aufs busdach klettern. oder hinunter. mit einer selbstverstaendlichkeit, an die man sich ebenfalls sehr schnell gewoehnt.
ein nepalesischer bus ist niemals voll. platz und raum sind relativ. auch wenn ich das gefuehl habe, jetzt geht doch wirklich nichts mehr rein, steigen immer noch leute zu. werden immer noch weitere saecke in die hoehe gestapelt. werden immer noch ziegen mit einer um ihren hals gewickelten leine aufs busdacj gehievt, dass den armen viechern die zunge raushaengt. stephan meinte am beginn der fahrt, dass er froh sein wird, lebend aus dem bus steigen zu koennen. nun, nach einigen stunden, korrigiert er seine aussage dahingehend, dass er zweifle, ueberhaupt aus dem bus rauszukommen.
checkpoints sind in nepal an allen verkehrsrouten zu finden. zumindest so alle 50 kilometer. eine der wenigen orte, an denen die einheimischen mit kontrollen und durchsuchungen geaergert werden. und nicht die touristen. fuer die interessiert sich keiner. nicht die mit maschinenpistolen bewaffneten uniformierten, die an den kontrollstellen im und auf dem bus scheinbar nach dem rechten sehen. und nicht die einheimischen insassen. im krassen gegensatz zu den 'tourist-areas' nepals, an denen man sich der vielen souvenirhaendler, haschverkauefern, schuhputzern und bettlern nicht erwehren kann. nepalesen muessen an diesen checkpoints auf jeden fall jedesmal ueber das gepaeckgut hinaus in freie stolpern, den posten per pedes passieren um dann nach 10 minuten wieder auf allen vieren auf ihre plaetze kriechen. die drei touristen nutzen diese punkte fuers beine-vertreten und andere 'geschaefte'.
doch einmal ist es anders. der bus bleibt stehen. wieder alle raus. gepaeck wird entladen. was nun? 'landslide', erfahren wir. strasse kaputt. 1 stunde fussmarsch. kinder aus der gegend verdienen sich ein paar rupien, in dem sie schwere kanister und saecke tragen. zum wartenden bus auf der anderen seite der blockierten strasse. bine hat durchfall und fieber. der marsch schafft sie vollends. stephan geht daher vor um den bus aufzuhalten. da der fahrer aber trotz aller proteste weiterfahren will, muss sich stephan direkt vor den bus stellen. es klappt. mit einiger verspaetung erreicht die arme, total erschoepfte bine und ich den wartenden bus. dieser ist allerdings wortwoertlich bis zum dach obenhin gefuellt. wir verschaffen bine noch zu einem sitzplatz im inneren. wir beide nehmen oben am dach platz. in zahlreicher einheimischer gesellschaft.
gegen abend quaelt sich der bus serpentine fuer serpentine einen steilen berghang hinunter nach syabru besi. ploetzlich kippt der bus. so sehr, dass sogar die nepalis reaktion zeigen. doch der unvermeintlich scheinende hunderte meter tiefe absturz bleibt uns erspart.
nach 12 stunden sind wir dann ploetzlich da. geraedert. geschlaucht. aufgekrazt und genervt. aber froh, heil und gesund zu sein. was fuer eine fahrt!
die rueckfahrt eine woche spaeter verlaeuft aehnlich. eine ziege im businneren findet vertrauen zu einem auslaender. sie erleichtert ihre reise damit, ihren kopf unter stephans beine zu stecken. stephan laechelt gequaelt. und als ich mich einmal zu ihm umblicke, ein lustiges bild. stephan rinnt der schweiss herunter. sein blick etwas angewidert. neben ihm eine streng riechende tibeterin. und ueber den beiden liegt eine nepalesin auf ihrem bauch. sie streckt den kopf aus dem busfenster und kotzt...