Guatemala 1 - Der Norden (Petèn)
1410 km, San Cristobal Verapaz
Mitten am Nachmittag erreichen wir den Grenzübergang von Belize nach Guatemala. Die Hitze ist unerträglich drückend und schwül. Dementsprechend fertig sind Bine und ich. Aber an den Grenzen geht alles sehr rasch und leicht vor sich. Kein Vergleich zu so manchen asiatischen Grenzüberquerungen, die oft Stunden dauerten. Ausserdem benötigen wir für kein einziges lateinamerikanisches Land ein Visum, und die erlaubte Aufenthaltsdauer beträgt meistens 90 Tage. Aus bürokratischer Sicht ist Reisen in Lateinamerika ein Kinderspiel.
Der guatemalische Grenzort Melchor de Mencos sprudelt nur so vor Leben - ganz ungewohnt nach all den kleinen und ruhigen Orten in Belize. Hier gibt es einen grossen Markt, viele kleine Geschäfte, kleine Imbissstände auf der Strasse und - viele Menschen. Ich fühl mich gleich sehr wohl!
Geld beheben mit der Maestro Karte funktioniert gar nicht, so müssen wir per VISA Karte zu den guatemalischen Quetzales kommen. Eine kleine, aber sehr feine Hospedaje für 10 Euro dient als unser erstes Quartier im neuen Land. Dann probieren wir die lokale Kost - gegrilltes Händl mit papas fritas, und Händl mit Reis und Salat. Für uns einstweilen kein grosser Unterschied zu Mexiko.
In allen Belangen ist Guatemala um einiges billiger als Mexiko, und vor allem als Belize. Wir können uns hier wieder "was leisten". Wettermässig geht's aber genauso weiter wie in den letzten 2 Wochen davor - unerträglich heisses Wetter. Wir stehen deshalb am nächsten Tag schon vor 5 Uhr früh auf, und radeln vor 6 Uhr aus Melchor de Mencos raus Richtung Westen.
Landschaftlich weiterhin uninteressantes Weide- und Wiesenlandn prägt unseren Weg. Der hohe Sonnenstand, die drückende Hitze verstärkt den trostlosen Eindruck der Umgebung. Weite Teile von Petèn, dem nördlichsten Verwaltungsbezirk von Guatemala, sind abgeholzt. Hier wird, trotz der Hitze überall noch mit offenem Feuer gekocht. Es gibt entlang der Strasse nach Tikal immer wieder kleine Ansiedlungen mit Tiendas - kleine Geschäfte, die ein paar Getränke und Lebensmittel verkaufen.
Zu Mittag erreichen wir bei 40 Grad den Ort El Remate, der bereits am (Ost-)Ufer des Lago Petèn Itza liegt. Ein netter Ort, der für uns als Basis für den Besuch des weltberühmten Nationalparks Tikal dient. Auch hier finden wir ein gutes Quartier um 10 Euro - mit Veranda, Ventilator und eigenem Bad. Allerdings hat es auch Nachts im Zimmer 36 Grad!
Am nächsten Morgen warten wir um 5 Uhr 30 auf den Kleinbus, der uns und ein paar andere Touristen in den rund 40 Kilometer entfernt liegenden "Parque Nacional Tikal" bringt (Hin- und Retour für 5 Euro). Der Nationalpark Tikal beherbergt nicht nur die berühmten Maya Ruinen, sondern liegt auch inmitten eines tollen, geschützten Regenwaldes (kaum zu glauben, dass Petèn früher überall so ausgesehen haben muss). Wir haben daher gar nicht mit der tollen Flora und Fauna gerechnet, die wir ebenfalls bestaunen durften.
Um eines vorweg zu nehmen: Tikal hat mich trotz der hohen Erwartungen regelrecht begeistert. Der Besuch zur frühen Tageszeit hat sich gelohnt - wegen den noch erträglichen Temperaturen, aber vor allem aufgrund der vielen Tiere, die wir in der Früh noch angetroffen haben. Wir sahen einen kleinen Fuchs, Nasenbären, schillernde Wilde Truthähne und andere bunte Vögel - darunter den Tucan, Papageien, Spechte und den Oropendola mit dem typisch leuchtend-gelben Schweif (den ich schon aus Ecuador kenne). Sogar Howling monkeys (Brüllaffen) und Spider monkeys aus nächster Nähe!
Die sichtbaren Tempel sind meist in sehr gutem Zustand - man sieht die grossen Dimensionen (und versteht warum an manchen Tempeln hunderte von Jahren gebaut wurde) und die Weite der Plätze. Mitten am Gran Plaza, dem zentralen Platz zwischen den beiden Hauptempeln, findet später eine Mayazeremonie statt, mit einem grossen Feuer in der Mitte und einer Menschenkette rundherum.
Ganz in der Früh bestiegen wir Templo IV, mit atemberaubenden 64 Meter Höhe den höchsten Tempel Tikals, und waren dort ganz alleine. Wir hatten einen tollen Ausblick auf die Haupttempel des Gran Plaza und andere. Rundherum dichter Regenwald. Und unten aus dem grünen Meer tönen dutzende Vögel und eine Familie Brüllaffen um die Wette. Ein für mich magischer Moment.
Damit die Weiterfahrt nach Flores nicht zu leicht vonstatten geht, radeln wir nicht entlang des Süd- sondern entlang des Nordufers des Lago Petèn Itza. Eine Schotterpiste mit extrem steilen Anstiegen und hunderten von Höhenmeter. Und das ganze bei +38 Grad im theoretischen Schatten...
Trotzdem erreichen wir an diesem Tag Flores, einer kleinen Touristenstadt auf einer Insel im Itza See. Hier gibt es viele Hotels und Lokale am Seeufer. An Abenden am Wochenende machen zahlreiche Stände direkt am Ufer auf. Dort werden allerlei Köstlichkeiten wie Tostadas, Hähnchen, Süsswaren oder Fruchtsäfte verkauft. Dazu eine Liveband mit dem für Guatemala so typischen Xylophon (das von 3 Musikern bespielt wird), einem Akustikbass und Schlagzeug. Da fühlen sich die Einheimischen so richtig wohl. Und wir beide natürich auch.
Bine und ich nutzen das erweiterte Angebot von Flores - lassen erstmals unsere dreckige Wäsche mit einer Maschine waschen, und setzen uns erstmals in ein Lokal und trinken Bier.
Bei der Weiterfahrt nach Süden ändern sich sichtlich die Menschen. Auch kleine Orten haben einen Markt entlang der Strasse, die Einheimischen (allen voran die Frauen), sind traditioneller gekleidet. Von den Kindern hören wir immer öfters "Gringo! Gringo!" nachgeschrien. Und wenn wir anhalten, unterhalten sich viele untereinander über uns, anstatt mit uns zu reden.
Kulinarisch schaut es bei uns in diesen Tagen eher bescheiden aus. In der Früh um 5 essen wir schnell ein paar Toastbrote mit Marmelade. Tagsüber ebenfalls Brote mit Käse und Gemüse. Oder wenn es eine Gelegenheit gibt mittags oder abends Reis mit Frijoles, Salat und eventuell Kartoffeln. Hin und wieder auch Tostadas oder Tacos, aber die geben nicht sonderlich viel her. Fleischgerichten gehen wir eher aus dem Weg. Einerseits sind sie einigermassen teuer, und die Qualität und Zubereitung ist oft auch nicht unbedingt das Richtige für uns.
Sayaxchè liegt am Rio de la Pasiòn, der mangels existierender Brücke per Autofähre überquert wird. Diese Stadt wimmelt nur so von Leben. Bunte Märkte, bunt gekleidete Menschen, Dreck, Staub und tausende Waren. Ich bin ganz begeistert.
Vollkommen überraschend gibt es abends - nach über 1 Monat Gluthitze - einen Wolkenbruch, der vielen, kleinen Strassenstände fast den Garaus macht. Die Abkühlung danach ist aber nur von kurzer Dauer...
Der letzte Radltag in Petèn zeigt, dass wir nun schon um einiges fitter geworden sind. Auf der Strecke durch das trockene, sehr hügelige Land gibt es keine einzige Herberge. Kampieren wollen wir uns wegen der enormen Hitze möglichst sparen. So radeln wir trotz grosser Temperaturen über 100 Kilometer und mehr als 700 Höhenmeter, hören hunderte Male das nervige Gringo-Geschrei - und sind abends dennoch nicht restlost geschafft. Nicht schlecht!
Abends erreichen wir die Stadt Fray Bartolomè de Las Casas. Haben damit Petèn hinter uns gelassen und Alta Verapaz erreicht. Für uns ist es nicht nur eine politische Grenze, die wir überquert haben. Gleich südlich der Stadt beginnen endlich die Berge. Das bedeutet für uns kühleres Klima und tolle Landschaften. Und die Möglichkeiten, den ganzen Tag zu radeln und abends eventuell zu zelten.
Ja, wir freuen uns regelrecht darauf endlich in höhere Lagen zu kommen!